Sonntag, 3. August 2014

Entschiedene Entschlossenheit!

So, nach Tagen voller Hoffnung, Wut, Verzweiflung, Enttäuschung und extremem Gefühls-Auf-und-Ab habe ich mich nun entschieden, wie ich vorgehen möchte.

Da ich mit Beelzebebi ja nun über den Termin bin, muss ich nun alle zwei Tage zur Vorsorge - nachgucken lassen, ob die Herztöne passen, Nabelschnurdurchblutung, genug Fruchtwasser etc. Immer im Hinterkopf das Drama, das ich beim Beelzebub durchleben musste. Völlig sinnlos. Völlig ausgeliefert.

Bei Beelzebubi war der Termin auch sehr weit überschritten, es stellten sich einfach keine Wehen ein. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass das so nicht gut ist. So entschied ich mich nach 25 Tagen über Termin - gegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte - für eine Einleitung. Ich fühlte mich wie die letzte Zicke, nur weil ich dem Gefühl, das ich für meinen Körper hatte, neben dem Fachwissen der Ärzte und den Erfahrungen der Hebammen, auch einen gewissen Stellenwert beimaß. Eine gesunde Mischung aus allen drei Faktoren eben, kein Entweder Oder. Fridolin kam schließlich, nachdem die Geburt per Einleitung angestupst wurde. Das Kind war riesig, dementsprechend schwer ging alles vonstatten. Logisch. Kind hört ja nicht zu wachsen auf am ET. Punkt 1, den man mir hätte ersparen können. Weitere Details erspare ich euch. So, dann war er riesig und trank von Anfang an etwa die doppelte (!) Menge, die ein normales Neugeborenes trinkt, deshalb wurde er mir gleich kurz nach der Geburt entrissen - ja, so sehe ich das! - und für die nächsten Wochen mit Kanülen in Köpfchen und Handrücken auf die Säuglingsstation gebracht. Verdacht auf Diabetes. Ein Verdacht, der sich niemals im Ansatz bestätigt hat. Aber ist ja nur logisch, dass ein gesundes Baby viel trinkt und groß ist - er war ja quasi schon drei Wochen alt, als er auf die Welt kam. Der Augenblick, in dem die Schwester auf der Station mir mein Baby noch dazu auf wenig sensible Weise wegnahm - für mich einer der bis dato schlimmsten Augenblicke meines Lebens. Die folgenden Wochen fand man wieder und wieder Gründe, dass Fridolin noch weiter unter Beobachtung auf Station bleiben muss. - Für mich alles nur Vorwände. Einmal ein Krankenhauskeim, mit dem er sich infiziert hatte (Noro), einmal trank er den Ärzten zu wenig (!). Immer hieß es "morgen dürfen Sie ihn mitnehmen", woraufhin wir mit MaxiCosi und voller Montur anrückten - und abends wie geprügelte Hunde von dannen schlichen in unsere Ferienwohnung - wir waren an meinem ursprünglichen Entbindungstermin obdachlos geworden, durch einen Wasserschaden in der Wohnung über uns, und lebten die ersten Wochen und Monate mit dem neugeborenen Fridolin in einer Ferienwohnung.
Dadurch dass Fridolin so groß war, brauchte ich eben lange, um mich zu erholen. Ich schleppte mich meist mit letzten Kräften durch den riesigen Krankenhauskomplex von meiner Station nach unten, selbst nachts zum Stillen, wenn die Schwestern mich anriefen, und bewegte mich dann von früh bis spät nicht mehr von seinem Bettchen weg. Einen Tag konnte ich mich schmerzbedingt überhaupt nicht aus dem Bett bewegen - das war der schlimmste Tag von allen. Der Arzt meinte nur gefühlskalt "Dann bleiben Sie halt in Ihrem Bett liegen." Ein Tag der Tränen, an dem ich mein Baby gar nicht sehen konnte, weil's eben nicht ging. Brutal.
Und schließlich ... Fridolin's Zimmer war das Letzte im Flur, ganz hinten - groß, sonnendurchflutet, er durfte zum Glück am Fenster liegen. Aber: genau an seinem Bettchen gab es eine dicke Beton-Säule mit Bildern, Fotos, Danksagungen - allesamt Todesanzeigen von Neugeborenen. "Danke an die Ärzte, auch wenn unsere kleine Maus es nicht geschafft hat." Fridolin schlief, von Medikamenten sediert, viel, was mir alle Zeit der Welt gab, diese traurigen Anzeigen wieder und wieder und wieder zu lesen ... . Puh. Und noch so vieles mehr, was ich hier im 'bösen Internet' gar nicht veröffentlichen kann.

Naja, er ist ein prima Junge geworden, absolut liebenswürdig, gesund, intelligent ... der beste große Bruder, den sich mein Beelzebebi wünschen kann. Aber der Schmerz von damals ist nicht vergessen, die wahnsinnige Angst vor einer Wiederholung dieses Ganzen, gepaart mit 100 Sprüchen, die irgendwas mit Geduld beinhalteten. Dabei hat das alles doch gar nix mit Ungeduld zu tun, sondern mit Angst. Schlicht und einfach. Angst ist nicht gleich Ungeduld. Aber diese Situation, gepaart mit dem, was hier die letzten Monate passiert ist, seit ich schwanger bin, lässt mich eben äußerst dünnhäutig werden.

Nun ... gestern musste ich dann zur Vorsorgeuntersuchung ins Krankenhaus. Die Nerven angespannt ohne Ende, Stimmung irgendwas zwischen Axtmörder und Beelze the Ripper. Dementsprechend genügten im Prinzip kleinste Kleinigkeiten, um mich innerlich in die Luft gehen zu lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass es mich ganz schön viel Kraft kostete, aufgrund meiner eigenen inneren Anspannung niemandem ins Gesicht zu springen - die armen Leute können ja nix dafür.

So: ich hatte lange darum gekämpft, dass mein ureigenstes Körpergefühl einen Wert bekommt, und eben nicht übergangen wird, wie so oft. Gestern traf ich das erste Mal auf eine Ärztin, die mich tatsächlich ernstnahm. Ohne "ja aber". Sondern "das ist Ihr Gefühl" - fertig! Diskussionslos. Nun habe ich einen Freibrief, die Geburt vom Beelzebebi einleiten zu lassen, wann immer mein Gefühl dafür richtig ist. Ohne "das Baby entscheidet", und kein einziger Spruch von wegen "Ungeduld", oder ich solle mich "nicht so haben". Ja, ich bekomme ein Kind. Aber neben meiner Eigenschaft als Gebärmaschine bin ich auch immernoch ein Mensch.

So, die Nacht habe ich über meine so ungewohnt einfach gewonnene Freiheit geschlafen - tatsächlich - und für mich entschieden, dass ich mir heute eine Plan mache, was allerletzte zu erledigende Arbeiten angeht, diesen abarbeite, und morgen ins Krankenhaus gehen werde. Zack, fertig!

Hab dich lieb, Beelzebebi! Unendlich. Auch wenn ich alleine bin. Stark wie zwei.