Dienstag, 21. Oktober 2014

Innehalten

9 Uhr - Innehalten für einen kurzen Augenblick.
Innehalten widerspricht sich mit der Tatsache, dass ich fertig rangeklotzt haben will/muss, wenn Beelzebebi aufwacht, sonst fühle ich mich wie die kleine Schwester von Sisyphos - doof.

Auf den Beelzebub muss ich verdammt gut achtgeben. Noch kann ich meine Ahnung nicht wirklich in Worte fassen, aber ich muss aufpassen, dass ich nicht irgendeine meiner blöden Launen an ihm auslasse. Ich weiß nicht, was in mich fährt, zur Zeit ab und an. Ich fahre ihn an und schimpfe, an denen andere Kinder auch geschimpft werden, ich im Normalfall aber nicht. Weil's unnötig ist. Unnötiges Geschimpfe ist blöd! Hat er nicht verdient! Zum Glück kommen bald Ferien. Wir haben nichts Großartiges geplant. Aber ich nehme mir vor, dass wir dann ganz oft stressfrei zusammen irgendwelche schönen Sachen machen. Dass ich ihn verwöhne. Dass er ein paar Wünsche erfüllt bekommt. Fred ist so oft so harsch zu ihm, hat so hohe Erwartungen. Vielleicht lasse ich mich auch mitreißen. Fridolin ist erst 7. Er ist von ganz alleine ein lieber Junge, freut sich über so kleine Dinge, da muss er nicht ständig auf den Deckel kriegen, wenn mal irgendwas nicht so läuft. Und schon gleich gar nicht so arg. Er freut sich ja schon riesig, wenn ich ihn aus der Schule abhole mit Bebi im Kinderwagen. Oder wenn wir uns zusammen hinsetzen zu einer Tasse Kakao. Oder. Oder. Oder. Merken Beelze: lieb sein!

Das halbe Tagwerk für den Augenblick habe ich schon fast erledigt. Seit dem Aufstehen bin ich nur am Ackern, damit nachher besser Zeit ist. Fenster auf - durchatmen! Die alte Wäsche ist komplett erledigt, da kommt schon wieder neue obendrauf. Nicht irgendwelche neue. Fridolin's Kiste mit den 62/68er-Klamotten. Beelzebebi wächst so schnell. So viele Kleidungsstücke, an denen ich irgendwie hänge. Klingt doof. Nicht, weil das Zeug besonders exklusiv wäre, oder in irgendeiner Form zusammenpassen würde ... weil es mir vor Augen führt, wie schnell mein Leben an mir vorbei zieht.
Die Zeit rast. Und ich komme mit dem Leben nicht hinterher. Das macht mir im Augenblick - ein bisschen Angst. Das macht mich wütend. Vielleicht bin ich deshalb ab und an so ... blöd ... zu Fridolin. Weil mir die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Wie die Balance finden zwischen Arbeit/Schaffen und Leben?! Wer erledigt mein Zeug, während ich lebe? Wer sorgt dafür, dass mich die Arbeitslawine nicht überrollt, während ich für einen Augenblick da sitze und innehalte? Wer lebt für mich, während ich arbeite, um zu leben? Wann findet denn dieses 'Leben' statt, wenn nicht JETZT?!

Dann wieder diese Wut ... wir haben ein wunderschönes Haus. Das noch viel schöner sein könnte. Wenn wir etwas daran getan hätten. Nein, das sind die falschen Worte. Vielleicht ist das alles im Augenblick auch so viel, weil ich gleichzeitig meine neue Existenz aufbaue, weil ich die Zeit mit meinen Kindern genießen und leben möchte, weil ich ein vierstöckiges Haus alleine entrümple, und nahezu komplett neu herrichte, weil ich unseren Lebensraum neu gestalte, weil ich den Garten mal weniger arbeitsintensiv herrichten möchte. Weil mir mein Sport sehr wichtig ist. So widersprüchlich alles. Hätten wir damals ordentlich in den Garten investiert, und ihn gemeinsam gestaltet, wäre das alles jetzt nicht so sehr arbeitsintensiv. Fred war schon immer alles egal. Kein Interesse, Leben zu gestalten. Nicht für sich, nicht für uns. Nicht sein Leben, nicht unseren Lebensraum. Nein, nicht nur kein Interesse an Schönheit, sondern Destruktion. Was auch immer ich startete, wurde mit kompletten Lebensunmut quittiert. "Muss das jetzt auch noch sein!" "Dann mache ich das halt auch noch!" Damals hatte ich andere Prioritäten. Oder: ich habe an zu vielen Fronten gleichzeitig kämpfen müssen. Alleine mit so viel Kontraproduktivität, und so vielen anderen Dingen auch noch - Fridolin war damals noch klein, ich Leitung einer großen Kindertagesstätte, selbst schwer nierenkrank, Fred stark depressiv und viele andere Sachen mehr - keine Chance. Vermutlich hole ich das nun nach - unseren Lebensraum lebenswert gestalten. Die letzten Wochen und Monate habe ich viel Arbeit, Kraft, Energie und Geld dahinein gesteckt, dass es hier irgendwann mal so schön ist, dass auch ich mich hinsetzen kann und sagen "So ist es schön!" Jetzt ist gut. Beelzebebi's Zimmer passt, wie es ist, Fridolin's Zimmer auch. Mein Dachstudio ist bald fertig, im Hamsterzimmer bin ich auf der Zielgeraden, was Tabula Rasa angeht, danach wird gestaltet, im Wohnzimmer noch kleine Restarbeiten, die Küche ist gut, wie sie ist.

Ha! In den Ferien mag ich mit Fridolin die eine Wand im Wohnzimmer streichen! Grün. Selbstredend. Und den kleinen Flur oben. Den Windfang haben wir vor ein paar Jahren schon zusammen gestrichen. Das war einfach nur Spaß!