Donnerstag, 4. Juni 2015

Tagebuch einer Hausfrau

Nun muss ich schnell schreiben, damit sich meine Gedanken nicht verflüchtigen, bevor ich sie festhalten kann.

Tagebuch einer ... tja, was bin ich eigentlich?
Definiere: mich!

Ich, Beelze,
35,
mundonomade,
Einzelkind,
alleinerziehend,
mit zwei Kindern (8 und 0),
beruflich selbständig als Leitung einer privaten Kinderkrippe,
nebenberuflich Mädchen für alles,
wohnhaft in einer abbezahlten DHH
die mir oft genug ein Bürde ist/war (?)
inmitten einer familienfreundlichen Neubausiedlung Spießerhölle

Noch vor ein paar Tagen hatte ich mir vorgenommen:
Wie ich da also heute morgen um 8.30h, am Donnerstag, keine Ahnung, den wievielten Juni 2015, Feiertag hier in Bayern, der Bub bei der Oma, und Bebi spielend in ihrem Bettchen, strahlender Sonnenschein, draußen endlich 1000 Grad, der Tag also prädestiniert für frei haben, ausschlafen und und und, so vor mich hin putzte - irgendwann muss das ja mal, ich habe lange genug prokrastiniert -, 
beschloss ich also, das zu ändern.

Ja klar, könnte ich nun mit dem Schicksal hadern. Wer welche staatlichen und sonstigen Zuwendungen bekommt, während ich hier stehen muss und putzen! An solch einem Tag!

Als eine Bekannte im Mehrgebährenden-Kurs (sic) zur Geburtsvorbereitung damit prahlte, dass die durch die Kasse genehmigte Haushaltshilfe während ihres Wochenbettes dann eben das Wohnzimmer gestrichen hat, weil der Manager-Mann zu der Zeit zu Hause war, um den großen Sohn zu betreuen und den Haushalt zu schmeißen, die Haushaltshilfe somit nichts zu tun hatte, und sie trotzdem noch jammert, was alles hätte besser sein können, hätte ich einfach draufhauen mögen. Ja doch. Zustimmendes Gemurmel unter den mehrgebährenden Millionärsgattinnen, wie leicht es doch sei, eine Haushaltshilfe zu bekommen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt tagelanges erfolgloses Ringen mit der Krankenkasse hinter mir. Highlight der Krankenkasse:

"Wenden Sie sich doch an einen Dorfverein in Ihrer Nähe, 
an einen Wohlfahrtsverband
 oder an diejenigen, die Sie in Notsituationen sonst auch immer unterstützen."

Klar könnte ich mit dem Schicksal hadern, wenn ich mir vor Augen halte, wer welche Leistungen bezieht. Und ich nicht.

Wenn Lokführer streiken, weil sie ihrer Meinung nach nicht genug verdienen. Sie, die 100 Mal so viel Geld haben wie ich. Nach fünf Jahren Ausbildung.

Wenn tagelang Gesprächsstoff Nummer 1 ist, wie schlimm man getroffen ist, wenn Busse und Bahnen streiken, weil man selbst ja so unflexibel ist. Während ich mich mit Kind(ern) im Anhänger auf dem Fahrrad durch Schnee und Eis oder durch die größte Sommerhitze und Abgase strample, weil ich mir weder ein Auto noch Fahrkarten für den ÖPNV so wirklich leisten kann noch will (aber das ist wieder ein anderes Thema).

Wenn Diplom-Ingenieure für Maschinenbau mit Festanstellung bei einem großen international tätigen Konzern, unbefristet, und einem Gehalt von was weiß ich was über ihre Arbeitsbedingungen jammern.

Wenn Eltern sich über streikende Erzieherinnen echauffieren.

Während ich mich abrackere in diesem Haus und meine, hier niemals fertig zu werden.

Und während ich so WC putze, feiertagsfrüh, .... denke ich mir:

Na und, dafür seid ihr aufgeschmissen,
dafür müsst ihr wertvolle Lebenszeit mit Gejammer verschwenden als gäbe es kein Morgen,
wenn die Kita streikt
wenn ihr keine Haushaltshilfe habt
wenn der ÖPNV lahm liegt wegen Schneesturm,
und was weiß ich für First-World-Problems.
UND ICH NICHT!

Weil ich immer einen Plan B habe.
Weil der Laden hier immer läuft.
Und zwar nicht irgendwie,
sondern so, dass es meinen Kindern und mir,
wenn wir ehrlich zu uns selbst sind,
an nichts mangelt,
dass es uns gut geht.
Wir haben Essen auf dem Teller,
wir haben ein Dach über dem Kopf,
wir haben ordentliche Klamotten,
wir haben Zuwendung.

Zack - Putzlappen in die Ecke geschmissen, Möbel wieder dahin gerückt, wo sie stehen müssen,
Bebi aufwecken gehen, die inzwischen schon wieder Mittagsschlaf macht.
Fertig und zufrieden!

Und dann denke ich mir:
nein, ich möchte um nichts auf der Welt tauschen!
So schlimm kann's dann doch nicht sein, oder?

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