Sonntag, 17. Juli 2016

Auf dem Weg in die Selbständigkeit

Ein Samstag, der sich wie ein Sonntag anfühlte. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle über den tollen Freitag berichten, den wir vor-gestern hatten. Ein Freitag, an dem ich so dermaßen viele Dinge geschafft hatte, dass ich meine Pflichten vorzeitig erfüllen, und noch das ein oder andere Sahnehäubchen Kür darauf setzen konnte ... . Und das alles komplett stressfrei. Die Bebiline ließ ich helfen, und so hatten wir - gemeinsam - jede Menge Spaß.

Später bot ich dem Bub Geld dafür an, die Schubladen in der Küche sauberzumachen und aufzuräumen. Also nicht einmal schnell um das Zeug herum wischen und fertig, sondern Zeug raus, aussaugen, wischen, ordentlich wieder einräumen. Klar, dass er's erledigte - komplett ordentlich. 50 Cent pro Schublade, und ich musste es nicht selbst machen. Bevor ich eine Putzfrau schwarz bezahle ... gebe ich lieber meinem eigenen Kind etwas Geld, so habe ich 100fach gewonnen, und es bleibt in der Familie.

Gestern Nachmittag brauchten wir nur noch einkaufen fahren. Er fragte schon vorher immer wieder, ob er nicht alleine mit dem Fahrrad in den Supermarkt dürfe. Ja klar kann er das! Das sind knapp 2 km von hier, also nicht die Welt. Den Weg selbst sind wir schon tausend Mal gefahren. Er führt über eine Hauptverkehrsstraße ohne Ampel, vorbei an mehreren Ein- und Ausfahrten von großen Baumärkten, LKW-Unternehmen und über eine riesige Kreuzung mit jeweils zwei Spuren, und vielen LKWs. Zutrauen würde ich ihm eigentlich schon, dass er's auch komplett alleine schafft. Ich meine ... er ist jetzt neun, seit er 4 war, fuhr ich täglich mit ihm mit dem Fahrrad in den Kindergarten und zurück über eine riesengroße Brücke, die über eine Autobahn geht. Er fährt oft genug schnell, aber immer defensiv und sich. Als er kurz vor der Einschulung war, machten wir eine mehrtägige Zelt-Fahrradtour gen Süden, bei der wir täglich zwischen 35 und 45 km zurück legten. Aber Straßenverkehr ist eben nicht nur er, auch wenn er's prima macht. Gestern dann ließ ich ihn alleine vom Supermarkt nach Hause fahren. Ich folgte ihm in mehreren hundert Metern Abstand, so dass er das Allein-Gefühl hatte. Unter so einigem an Hinweisen: nur und ausschließlich Gehsteig. Bei niemandem stehen bleiben. Doppelt so defensiv wie mit mir. Doppelt so vorsichtig. Sich nicht zu sicher fühlen. Handzeichen. Etc pp.
Ich war in unserer Stadt das erste und einzige Kind, das alleine in den Kindergarten gehen durfte, und alleine nach Hause. Ich fuhr als kleines Kind alleine mit meinem grünen Rädchen meinen Freund besuchen - 1 km weit weg von daheim, wir fuhren alleine zu einem kleinen See 3km weit weg von zuhause, gingen baden, spielten, fuhren wieder nach Hause. Ich wuchs draußen auf, so wie alle Kinder. Wie das normal war. War. Nicht nur in Deutschland, in jedem Land, in dem ich leben durfte. Wir hatten keine Handys. "Dürfen" machte mich sicher.

Und heutzutage? Werden die Kinder mit riesigen SUVs bis ans Klassenzimmer gekarrt, und von einem Lernangebot zum nächsten. Immer schön mit dem Auto. Wieviele Kinder wissen nicht einmal, wie man die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt? Weder gemeinsam mit Erwachsenen, geschweige denn ohne fremde Hilfe? Der Bub wird nächstes Jahr im September alleine in eine weiterführende Schule gehen müssen. Die nächstegelegene liegt 3 km weit weg von hier, wenn er mit dem Fahrrad fährt, mit den Öffentlichen muss er zweimal umsteigen, um dort hin zu kommen. Und das ist nur die nächstgelegene Schule, das muss noch lange nicht die Schule unserer Wahl sein, die ihm am besten zusagen wird. Bis dahin sind es noch 13 Monate. Nur noch. Und ich werde ihn garantiert nicht jeden Tag bringen und abholen. Also vielleicht schon manchmal, aber nicht aus dem Grund, dass ich ihm das nicht alleine zutrauen würde, sondern wenn es sich bei mir arbeitstechnisch einrichten lässt, um ihm eine Freude zu machen.

Gestern sprachen wir dann noch über weitere Ziele, die er sich in Zukunft alleine erfahren darf ... . Mit dem Zug zur Oma zum Beispiel. Dann setze ich ihn hier in die Bahn, die Oma holt ihn am Ziel am Bahnsteig ab. Das geht ohne umsteigen.

Ich glaube, ich bin alterstechnisch auch so um den Dreh das erste Mal alleine zu meinen Großeltern gefahren. Amtrak. Von Oak Park nach Glen Ellyn. Das sind einfach um die 20 Meilen. Wir waren die Strecke zuvor oft genug zusammen gefahren, ich wusste, wann ich meine Siebensachen zusammenpacken und aufstehen musste. Draußen stand dann der Grandpa und wartete auf mich! Bei meinem allerersten Flug als unguided minor war ich 10 Jahre alt. Und es war nichts dabei. Ok, Alleinflüge sind für den Bub jetzt nicht relevant.

Was mich eben so sehr verunsichert, ist die Tatsache, dass so viele Kinder aus unserem direkten Umfeld solche Strecken noch nicht im Ansatz alleine bewältigen - dürfen. Und nicht wollen - sollen. Dann frage ich mich eben auch "Ist das richtig, ihm das zuzutrauen? Kann er das schon können? Und wenn was passiert?!" Aber es ist nicht so, dass ich zwingen müsste, selbständig unterwegs zu sein, die Initiative geht ja komplett von ihm aus. Wie seht ihr das? Wie weit dürfen eure Kinder fahren?

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