Samstag, 12. Juli 2014

Zugänge legen

... zu sich selbst.
Na juhu ... gestern hatte ich noch gestern fertig ordnen wollen, war dann aber zu müde gewesen, um das zu beenden. Die Stichpunkte, die ich mir dazu aufgeschrieben habe, finde ich nicht mehr. Verdammter Mist. Wie soll ich da anständig Zugang finden?

Fred leidet.
Fred leidet sehr.
Vielleicht sind da - abgesehen von einem massiven Aufmerksamkeitsdefizit und einer kleinen Portion Männergrippe - auch ein bisschen echte Schmerzen dabei. Aber wenn's denn so sein sollte ... ich bin persönlich nach nun etwa 8 bis 10 Jahren nicht mehr in der Lage, Fred's Schmerzen ernst zu nehmen. Das ist nicht böse gemeint von mir, das ist einfach ... . Es geht nicht mehr. Er muss jetzt erst mal seine Schmerztabletten nehmen, sich auf die Wärmflasche packen und ausruhen. Vielleicht mal an der Wurzel des Problem's arbeiten?! Einen Zusammenhang zwischen seiner Mangelernährung und den Symptomen mag er nicht sehen (Pizza-Spezi-Chips-Lieferservice). Medikamente gegen die Depression mag er nicht nehmen (er hat ja keine ......... ), selbst an der Depression arbeiten auch nicht (weil er ja keine hat) - aber deren Symptome bekämpfen. Und der Arzt bestärkt ihn darin. Sehr sinnvoll.
Ja, zu einem guten Teil gelingt mir inzwischen endlich - nach vielen Jahren - ihn auch so zu akzeptieren, wie er ist. Er braucht das Leiden halt. Ich habe auch angefangen zu lernen, mich davon abzugrenzen. Wenn man ihn nur hört, meint man, es mit einem 80-jährigen, alten Mann zu tun zu haben. Wobei selbst 80-Jährige in meinem Umfeld agiler sind und waren, als er mit gerade mal der Hälfte.
Nein, egal kann mir die Thematik - selbst wenn wir getrennt sind - nicht sein, denn zum Einen ist er mir als Mensch nach wie vor wichtig, wir pflegen eine freundschaftliche Beziehung, um die ich lange hart gekämpft habe, und er ist ja nicht umsonst Fridolin's Vater. Dass ich ihn einmal geliebt habe, ist eine unabänderliche Tatsache.
Zum Anderen bleibt dadurch ein riesiger Batzen Arbeit an mir hängen! Fridolin ist an etwa 28 bis 29 von 30 bis 31 Tagen im Monat bei mir. Theoretisch hätten wir geteiltes Sorgerecht. 50% der Zeit bei mir, 50% bei Fred. Wie soll ich Fred Fridolin ernsthaft  guten Gewissens übergeben, wenn er mich gleichzeitig intensiv daran teilhaben lässt (so dass ich das sehr wohl ganz gut einschätzen kann), wie sehr er unter seiner vielen Arbeit (?!) leidet, und dann so Sprüche bringt wie "Ich brauche jetzt auch mal eine Pause". Von was genau braucht er eine Pause?! Ich habe einen guten Vergleich, was man als Mann so leisten kann (autsch). Mir geht's ja nicht darum, dass sich jemand verausgaben muss, und totschuften ... aber ... das hier ist schon ein Trauerspiel. Fridolin wünscht sich so sehr ein Baumhaus in unserem Garten .... normalerweise machen Väter so was voll Begeisterung für ihre Kinder, oder?! Oder bauen ihren Kindern Pfeil und Bogen (weiß er nicht wie, hat außerdem Hannes gemacht), gehen mit ihnen in den Wald (zu anstrengend), schwimmen (zu viele Leute) ... was auch immer. Ich sehe doch, was die Väter in meinem Bekanntenkreis mit ihren Kindern machen ... . Und ich sehe Fred und Fridolin ... .

Nein, ich beklage mich nicht, dass Fridolin trotz geteiltem Sorgerecht quasi ausschließlich bei mir ist. Oft genug ist es mehr als anstrengend, gerade in letzter Zeit testet Fridolin hart seine Grenzen, und schießt weit über sein Ziel hinaus. Er fühlt sich jetzt mit den Kindern in der neuen Klasse sehr sehr wohl - was mich glücklich macht -, von daher sind die Voraussetzungen andere als in seiner ersten 1. Klasse. Aber die Kämpfe sind wieder die Gleichen wie zuvor. Er ist und bleibt mit dem Lernstoff unterfordert, und braucht mehr. Um sich sein Defizit auszugleichen, liefert er sich mit mir Kämpfe, die für einen 7-Jährigen eben nicht normal sind. Da gilt es, im nächsten Schuljahr von Anfang an auf Extra-Förderung durch die Lehrerin zu insistieren. Die Art, die er an den Tag legt, erinnert er mich oft genug an einen kleinen Erwachsenen. Der er doch gar nicht ist. Ich investiere viele Nerven und falle oft genug abends tot ins Bett, um vom Fall aufzuwachen, und anschließend lange wach zu liegen, lerne meine eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Aber für all die Nerven, die ich investiere, bekomme ich von Fridolin so unendlich viel Liebe und Glück zurück - das möchte ich niemals missen müssen. Dafür investiere ich gerne doppelt und dreifach. Der Lohn meiner Investition macht mich 'ganz'.
Ich rege mich auch nicht auf. Ich möchte Fridolin gar nicht weniger um mich haben. Meinen letzten richtig freien Abend, den ich aufgrund von kinderfrei und sonst nix zu tun nur für mich alleine nutzen konnte, hatte ich am 8. Januar, da war ich im Kino. Heute ist der 12. Juli. Ich jammere nicht, ich wundere mich nur, wie man so sehr in seinem Leid aufgehen kann, wie Fred es tut. Wie man im Leiden Erfüllung finden kann, denn offensichtlich geht es ihm ja nicht gut. Aber irgendwie mag er daran auch nichts ändern.

Heute Morgen war eigentlich der Plan, früh zu frühstücken, dann schnell einkaufen zu gehen, und dann frei zu haben, um was auch immer zu tun. Irgendwie kam es dann dazu, dass ich Fridolin seine Lego-Arktisstation vom Schrank holte, und er zu spielen begann (JA, das ist ein Kinderhaus, aber es gibt auch Bereiche, in denen ich kein Lego & Co rumfliegen haben möchte.) Ich saß auf dem Sofa gegenüber und war gefangen genommen von diesem wundervollen Augenblick. So viel Glück, ihm beim Spielen zuzusehen und mitzuspielen, aber gleichzeitig weiter zu beobachten. Ein Arktisforscher von der Station war im Eis verschollen, die Nachrichten berichteten minütlich live vom Ort des Geschehens. Mein Job war, auf der Couch gegenüber zu liegen und Bescheid zu sagen, wann wieder eine Minute vorbei war - Zeit für die nächsten Nachrichten. Jedes Aufstehen meinerseits hätte das Wunder dieses Augenblicks zerstört. Zuvor hatte ich Fridolin einen großen weißen Bettüberwurf gegeben, den wir auf die Couch drapierten. Verschiedene Polster drunter, sein Bademantel reingeknödelt, Arktis-Station drauf, dann sah das sehr nach Eislandschaft aus mit Eisbergen, Höhlen und allem, was das Arktisforscherherz begehrt. So schön.
Dadurch gerieten wir halt drei Stunden mit dem Zeitplan hinterher und mitten in die samstägliche Einkaufs-Rush-Hour, Mittagessen gab's dann erst um 15 Uhr, aber was soll's ... . Fridolin ist im Supermarkt der beste Einkaufstaschenpacker der Welt, und diese drei Stunden hätte ich niemals missen wollen. So schön!! Was sind schon Pläne! Wenn man etwas als Last empfinden möchte, dann wird es auch eine Last sein. Aber was habe ich davon? Nichts. Dann kann ich's auch einfach erledigen und fertig, anstatt 10 Stunden drüber zu jammern, wie nervig Einkaufen doch ist. Fred hätte diesen Moment nie erlebt, weil er streng nach seinem Plan vorgehen muss. Wenn Einkaufen früh morgens auf dem Plan steht, dann hat das frühmorgens erledigt zu sein.

Nein, ich möchte nicht, dass jemand Schlechtes von Fred denkt ... ich versuche, das möglichst rational zu schreiben, eben nur die Fakten, und so eine Lösung für mich zu finden, oder eben bei mir zu bleiben, mich abzugrenzen lernen, einen kühlen Kopf bewahren, Gelassenheit entwickeln. Gleichzeitig darf ich nicht außer acht lassen, dass Fred, bei allem Gemeckere meinerseits, der Mensch in meinem Umfeld ist, der auf bestimmten Gebieten faktisch am meisten dazu lernt, und sich weiterentwickelt, wenn er gleichzeitig in anderen Bereichen ... steht wie eine deutsche Eiche, wo Bewegung angesagt wäre.