Sonntag, 25. Januar 2015

Es war einmal ......

"Panta rhei"
Alles fließt, 
weshalb man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann.
~ Heraklit ~


Das Thema "Loslassen" zieht sich durch das Leben wie ein roter Faden. Nun als neues Stichwort im Blogideenkasten. Leben ist die permanente Veränderung, Beständigkeit eher die Ausnahme.

"Reisende soll man ziehen lassen", "Wer loslässt hat die Hände frei", "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" - da hat Platon, der den Ausspruch Heraklit's in seinem Aphorismus knapp zusammenfasste, einen regelrechten Trendsport geschaffen - Wer am meisten loslässt, gewinnt - ??

Die 27 Jahre, bevor ich sesshaft wurde, lebte ich auf drei verschiedenen Kontinenten, in fünf verschiedenen Ländern, die unterschiedlicher nicht sein können. Eines davon zählt laut Human Development Index zu den mit Abstand reichsten Ländern, zwei rangieren am untersten Ende. Dabei habe ich von klein auf die verschiedenen Arten des Loslassen kennen und zu verinnerlichen gelernt:

Loslassen - Abschied nehmen von geliebten, wichtigen Menschen
Loslassen - von Freunden und solchen, die es hätten werden können
Loslassen - mit Gewohntem aufhören, um Platz für Neues zu schaffen
Loslassen - schlechter Gewohnheiten
Loslassen - Besitztum
Loslassen - andere Kontakte
Loslassen - Schuld
Loslassen - Vergangenheit
Loslassen - überholte Lebensentwürfe

Seitdem ich richtig sesshaft geworden bin, vor sechs Jahren also, hat sich zu den Erinnerungsstücken an verschiedene Menschen in verschiedenen Lebensabschnitten auf verschiedenen Kontinenten Zeug angesammelt. Viel Zeug. Nicht zuletzt habe ich dieses Haus gekauft in der Hoffnung auf etwas Dauerhaftes. Ein Haus bauen steht - zumindest in Deutschland - für Beständigkeit. Beständigkeit schien mir erstrebenswert. Doch was bringt - mir - diese - materielle - Beständigkeit? In all den Jahren habe ich gelernt, dass die Beständigkeit weniger durch äußere Faktoren geschaffen werden kann - oberflächlich, ja -, dass wahre Beständigkeit aber bedeutet, mit sich selbst im Reinen zu sein, gut bei sich zu sein, eine innere Balance gefunden zu haben.

Vor vier Jahren, da war ich gerade einmal zwei Jahre im Lande, überkam mich dann ein Anfall von Tabula Rasa. Der immernoch anhält. Festhalten schränkt mich massiv ein. All die ganzen Gegenstände, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, bewirken zwar, dass ich meinen inzwischen KinderN ein schönes Lebensumfeld geschaffen habe. Mir persönlich nehmen nicht alle, aber viele davon doch die Freiheit, binden mich fest, engen mich ein. Will ich das?! So kann man das auch auf Beziehungen zu Mitmenschen übertragen ... . Sollte man wirklich jedes Mal aufs Neue wieder Bindungen zu Menschen einzugehen, die man dann (aufgrund von räumlichen Veränderungen oder Krankheiten) nur wieder lösen muss und diesen Trennungsschmerz riskieren? Viele dieser Beziehungen (nicht im Sinne von Liebe), die ich eingegangen bin, haben das Loslassen nicht überdauert - weil sie vielleicht auch gar nicht dafür ausgelegt waren, weiter zu bestehen. Weil es gut ist, dass sie da waren für die Zeit, die sie mich begleitet haben, aber Platz geschaffen haben, dass ich an neuen Orten neue Bindungen eingehen konnte. Überdurchschnittlich viele mir wichtige Bezugspersonen sind schon früh in meinem Leben durch Krankheiten gegangen. Was aber allen gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass die wirklich wichtigen Bindungen überdauert haben - trotz Loslassen.

Als mich diese Erkenntnis traf wie den Twitterer das Tageslicht (....), beschloss ich, Schluss zu machen! Mit dem Festhalten! Und wieder anzufangen mit dem Loslassen! In verschiedenen Kartons lagen Liebesbriefe von früher, von ganz früher, halbwegs aktuelle ... weg damit! Und all die vielen Fotos von überall! Postkarten. Kleidung. Zeug. Weg! Was blieb, war ein kleiner Karton (tatsächlich) mit den allerwichtigsten. Fotos. Briefen. Postkarten. Und immernoch arbeite ich daran, meinen Besitz zu minimieren. Unvorstellbar wie viele Jahr(zehnt)e meines Lebens ich aus einem einzigen großen Reiserucksack, und einer Tasche fürs Handgepäck leben konnte ... .

Mag sein, dass etwas festzuhalten oft viel leichter erscheint. Da weiß man wenigstens, was man hat, kann weiter seines Weges gehen, kann die unweigerlichen Turbulenzen im Rahmen halten. Warum also loslassen, wenn ungewiss ist, wie tief ich fallen werde?

Hoffnung ist für mich die Kraft, die meine Zukunft möglich macht!

Loslassen ebnet den Weg für Veränderungen.
Mit der Veränderung leben.
An der Veränderung wachsen.

Wenn der Wind der Veränderung weht,
bauen die einen Mauern
und die anderen Windmühlen.

Chinesisches Sprichwort

Loslassen. 
Endgültig.

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