Sonntag, 29. Juni 2014

Rain of Blessings

Hier sieht's aus wie bei Beelze unterm Sofa! Seit dem ersten Schwung, seit wir zurück im Haus sind, die Möbel stehen, und die wichtigsten Dinge eingeräumt sind, hat sich faktisch im Haus nicht mehr wirklich was getan. Fridolin's Zimmer ist fertig. Babyzimmer auch. Aber sonst... . Überall noch viel zu viele Kisten. Chaos. Und irgendwie ... ja klar, auf alle Fälle wohler als zuvor, aber irgendwas Entscheidendes fehlt noch. Abgesehen vom Baby. Und Bauchgefühl sagt: Beelzebebi kommt erst, wenn hier alles fertig ist. Aufgeräumt und so. Könnte sein, dass mich dies vor eine harte Zerreißprobe stellen wird (doble sentido). Denn fertig bin ich noch lange nicht, und der recht ánimo fehlt auch. Oh weh.

Immerhin: gestern habe ich die Fernbedienung meiner Stereoanlage wieder gefunden, vorhin meine Toilettentasche. Meine Tasche für die Klinik habe ich auch noch lange nicht gepackt. Richtig richtige Wehen, die auch beim Arzt als Wehen gelten, habe ich bisher noch nicht gehabt. Bei mir gehen die schon als Wehen durch. Hätte gerne solche, die auch Arzt und Hebamme interessieren ... da Fridolin ja auch schon so ein Drama war, fühle ich mich langsam als Versager ... unfähig, ein Baby normal auf die Welt zu bringen, oder wie?! Umgedreht ... wie soll sich denn bitte überhaupt was tun können, wenn Beelzebebi nicht richtig liegt?!

Wenn Bebi sich also erst auf den Weg macht, wenn hier alles fertig ist ... wieviel muss ich dann noch schuften?! Irgendwie macht mich das alles ... kirre. Stop, nun mal langsam: Nächste Woche ist ja sowieso Termin im Krankenhaus. Mal sehen, ob sich da was tut bezüglich äußerer Wendung. Wäre ja schon mal nicht schlecht, wenn zumindest die Bedingungen gegeben wären, dass sich überhaupt irgendwas tun kann. Nervt grad alles. Von mir aus könnt's einfach losgehen jetzt. Und wenn hier noch Umzugskisten rumstehen und keine Kliniktasche gepackt ist, der Vater fehlt, Oma nicht vorhanden, und Gipsabdruck vom Bauch auch nicht, und erst recht kein Babybauch-Foto-Shooting ... what the fuck! Zum Babykriegen braucht's MICH, und ich bin fertig. Sag ich jetzt mal so. Oder doch nicht wirklich?

Außerdem geht mir die geballte Kompetenz meiner sich kümmernden Familie so gewaltig gegen den Strich, die sich einig sind, dass das Beste für mich sei, mich einfach wieder Fred an den Hals zu schmeißen. WHAT THE FUCK! Bin ich 12, oder was?! Sind Frauen ohne einen Versorger-Mann nicht lebensfähig oder wie?! Frauen dürfen Männer niemals verlassen, sonst sind sie aufgeschmissen. Und wenn der Mann stirbt, müssen sie sich gleich mitverbrennen lassen, weil sie's alleine sowieso nicht schaffen, oder wie?! Ja ne, ist klar. Was hätte ich bloß getan, mit einem Typen, der in Guatemala ohne spanisch sowieso aufgeschmissen gewesen wäre? Wie habe ich bloß diverse Überfälle überlebt ... in abgebrochene Flaschenhälse geguckt, in Taxis gesessen, mit Taxifahrern, die die Tür verriegelten sobald ich saß und mit sonstwas drohten, wenn ich nicht alles Geld abgebe, ähnliche Spielchen in einem vollbesetzten Stadtbus, oder in einem Geschäft. Auf dem Weg von Mexico Stadt zu meiner Oma. 52 Stunden Busfahrt einfach. Zig Male in Ciudad Juárez. Zu Fuß über die Grenze. Ebenso in Tijuana. Alleine zu Fuß. Ebenso in diversen Drogen-Nestern  an gefährlichen Grenzübergängen von Guatemala nach Mexico. Alleine. Als junge Frau. Ebenso alleine irgendwo zwischen El Salvador und Honduras ... . Alleine mit Dengue und Cholera in einem Busch-Krankenhaus in Guatemala. Bis auf die nötigsten Dokumente, und einem Rucksack mit dem allerwichtigsten Hab und Gut komplett meiner Wohnung beraubt. 
Ich habe lange genug in Nepal gelebt. Seit Fridolin dreieinhalb ist, haben wir schon so viele tolle Abenteuerurlaube allein zu zweit gemacht ... sei es Wanderurlaub in der Schweiz, Backpacking auf La Gomera oder in Tunesien (!), oder unsere Camping-Rad-Tour. Und noch so vieles mehr. Und das sind nur die - auch für mich - abenteuerlichen Erlebnisse, von normalen Backpacker-Urlauben in Irland, der Türkei und sonstwo steht da noch gar nix. Wie habe ich das bloß alles überlebt? So ohne Mann? Als wäre ich alleine lebensunfähig! Soll ich sämtliches Leben einstellen in dem Augenblick, in dem ich keinen Mann habe, oder wie? Pf! Am Besten aufhören zu atmen? Und was, wenn das vermeintlich starke Geschlecht weniger Mumm hat als man selbst?!
Vor ein paar Monaten habe ich das Babyzimmer gestrichen. Man riet mir, das doch lieber meinen Mann machen zu lassen. Und wenn keiner da ist, muss ich elendig in einem Dreckloch vor mich hin vegetieren, weil ich zu blöd bin, das alleine zu machen?! 
Ja klar, wäre alles ganz supi, wenn einer da wäre und alles schön heidi-deidi. Wir sind hier aber nicht bei "Wünsch dir was", sondern bei "so isses".

(Und bevor irgendjemand auf eine dumme Idee kommt: mir ist sowas von extremst - disculpe - scheißegal, ob mir jemand glaubt, was ich hier schreibe oder nicht. Nicht mein Problem. Ich weiß, was ich erlebt habe! All diese Erlebnisse haben mich zu dem gemacht, was ich bin. Gehört eine große Portion Mut zu, aber auch jugendliche Naivität, Unbedarftheit und ähm ja ... Selbstvertrauen - hatte ich tatsächlich mal.)

Ja ok, ich kann verstehen, dass man sich Sorgen um mich macht, und ich weiß das auch zu schätzen. Aber bitte .... "Am Besten für dich wäre, wenn du Fred ins Boot holst. Wer weiß, vielleicht will er dich wieder" - grenzwertig! 
Ich habe schon so viele Dinge erlebt und überlebt (auch hurricanes und Erdbeben) ... hier lebe ich in einer Industrienation in der sogenannten 1. Welt ... . Wenn man hier nicht klar kommt - wo dann? Das einzige, was mir hier faktisch passieren kann, ist, dass mein Hirn Amok läuft, weil ich mich verunsichern lasse, anstatt mir selbst zu vertrauen.

Nun ja ... nächste Woche ist Termin im Krankenhaus. Mal sehen, was die zu der Situation sagen. Eine klare Ansage, etwas Greifbares wäre ja schon mal nicht schlecht.

Sorry, musste raus, all das!