Montag, 16. Juni 2014

Tacheles statt Damokles

Der Titel für dieses Posting gefällt mir richtig gut. Ich wollte ewig schreiben von wie es sich anfühlt, wenn man ständig in der Luft hängt, wie das ist, eine Rechnung mit vielen Unbekannten, wenn permanent ein Damokles-Schwer über mir schwebt, das jederzeit droht, auf mich niederzugehen ... oder wenn man einfach mal Tacheles redet, die Dinge anspricht, die im Raum stehen, seien sie auch noch so unbequem ansprechen, aus dem Weg räumen, fertig und weiter.
Da Fridolin gestern mit den Nachbarn eine Radtour zum Eisessen machen durfte, und keine Lust hatte, mir Fred und mir rumzuhängen, war ich alleine mit Fred - noch vor ein paar Monaten hätte das Mord und Totschlag gegeben. Ja, es nervt mich immens, dass bis in alle Ewigkeiten ich diejenige bin, die immer und immer und immer die klärenden Gespräche anstößt, dass Fred grundsätzlich alles aussitzt und Probleme lieber totschweigt, selbst wenn durch die Ungeklärtheit auch Fridolin zu leiden hat. Dass Fred lieber zurücksteckt, Verluste macht oder leidet, anstatt irgendwas mal anzusprechen. Vor ein paar Jahren saßen wir mal im Lokal, Fred hatte Bärenhunger. Der Kellner hatte uns offensichtlich vergessen. Da ich Zeit hatte, und keinen Hunger, ließ ich es tatsächlich drauf ankommen und ergriff nicht die Initiative. Fred's Stimmung sank zunehmends gegen den Gefrierpunkt ab - zum Einen weil wir vergessen worden waren, zum Anderen, weil ich nichts unternahm. Hey, wenn ihm etwas stinkt ... er ist über 40 Jahre alt, ein erwachsener Mann mit Verantwortung für ein Kind ... sollte er doch wohl in der Lage sein, das anzusprechen! Wenn ihm etwas stinkt, ist nicht meine Aufgabe, ihm immer alle Probleme aus dem Weg zu räumen. So stinkt mir aber auch, dass er nichts unternommen hatte, als Fridolin sichtlich traurig war, dass er für Fred's Familie offensichtlich nicht wichtig genug war, um ihm seine Geschenke an seinem Geburtstag zu schenken.

Naja, gestern sprach ich dann eben so manche Dinge an - das war noch nicht mal Zeug, das Konfliktpotential hatte, sondern einfach Dinge, die zu klären waren. Nicht mehr, nicht weniger. Fred stellt sich an, da braucht's echt verdammt viel Geduld!!! Aber ich hab's geschafft. Anfangs war die Gesprächsatmosphäre eisig bis stark unterkühlt, weil er eben mehr der Urlaubs- und Freizeitmensch ist ... bloß nix ansprechen, was mit Arbeit, Pflicht, Problemen, Klärung von irgendwas zu tun hat. Mit Durchhaltevermögen, aufrichtiger Freundlichkeit meinerseits - ihm permanent durch die Blume vermittelnd, dass ich ihm nix Böses will - habe ich dann doch geschafft, dass wir verschiedene Dinge geklärt haben, und nicht irgendwie, sondern in einer guten Stimmung, und gut für uns beide. Der Witz ist ja immer, dass er bei sowas nicht nachgibt, damit eben Ruhe ist, sondern dass es auch ihm dann sichtlich besser geht, wenn etwas geklärt ist. Ist ja auch logisch. Deshalb kann und werde ich niemals verstehen, wie ein Mensch - er oder wer auch immer - sich lieber in sein Leid ergibt, als Probleme aus dem Weg zu räumen. Problem da - zack klären - weiterleben. Mir wäre meine Lebenszeit viel zu schade, um zu leiden. Nicht an Dingen, die von mir selbst ganz einfach zu beheben sind, indem ich handle. Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe, kann ich akzeptieren, irgendwie. Aber warum sollte ich leiden, wenn ich selbst dafür sorgen kann, diesen Zustand in einen besseren oder sogar guten zu verwandeln?! Das werde ich niemals verstehen. Niemals!
Und dann vielleicht noch permanent mehr oder weniger laut und öffentlich darüber jammern und andere mit runterziehen in das Loch, in dem ich mich befinde?! Auf spanisch nennt sich das quejarse. Guatemalteken machen das ausgesprochen gerne. Einer der Gründe, weshalb sich mir diese Kultur nicht so wirklich erschloss in meiner kompletten Zeit dort, und weshalb ich froh war, da wieder weg zu sein, auch wenn ich sehr lange durchgehalten habe. Denn ja, ich fühle mich belästigt von 'Jammerlappen'. Das gilt im Übrigen nicht für Schicksalsschäge, Krankheiten, was auch immer, ist ja selbstverständlich.